Aktienrechtsrevision per 01. Januar 2023
Das neue Aktienrecht, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, bringt viele Neuerungen.
Im Wesentlichen soll das Aktienrecht den heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen angepasst werden. Ferner sollen Aktionärs- und Minderheitsrechte gestärkt werden, und unter dem alten Recht als impraktikabel erwiesene Bestimmungen angepasst oder aufgehoben werden.
Wesentliche Änderungen:
Aktienkapital
Das Aktienkapital darf neu auch in USD, EUR, GBP oder JPY bestimmt sein, wenn die entsprechende Währung für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wesentlich ist. Der Gegenwert bei Gründung oder Wechsel muss mindestens CHF 100’000 betragen und die Buchführung und Rechnungslegung muss in derselben Währung sein. Der Wechsel kann auf Beginn eines Geschäftsjahres beschlossen werden und bedingt eine öffentlich zu beurkundende Statutenänderung. Für die Steuererklärung müssen der steuerbare Reingewinn und das Eigenkapital in CHF umgerechnet werden. Der Nennwert einer Aktie kann neu weniger als 1 Rappen betragen, muss aber weiterhin grösser als Null sein.
Grössere Flexibilität bei der Durchführung der Generalversammlung und beim Fassen von VR-Beschlüssen; Erweiterung der Liste von wichtigen GV-Beschlüssen: Neu soll die GV auch virtuell oder im Ausland durchgeführt werden können. Die Möglichkeit der virtuellen GV wurde zwar bereits während der Corona-Pandemie durch die COVID-19-Verordnung 2 eingeführt und durch die COVID-19-Verordnung 3 bis zum Inkrafttreten des neuen Aktienrechts verlängert. Will man unter dem neuen Aktienrecht weiterhin von der Möglichkeit der virtuellen GV profitierten, ist jedoch eine statutarische Grundlage erforderlich und es muss grundsätzlich ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bestimmt werden.
Sodann dürfen VR-Beschlüsse neu in elektronischer Form gefasst werden. Ferner wird die Liste von wichtigen GV-Beschlüssen, welche von Gesetzes wegen ein qualifiziertes Mehr erfordern, erweitert.
Klarere Regeln bei drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung: Die Pflicht des VR zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit und Einleitung von Sanierungsmassnahmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit wird ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen. Bereits bisher sah das Gesetz eine Handlungspflicht des VR vor, wenn die Gesellschaft überschuldet ist oder eine entsprechende Besorgnis besteht. Die Voraussetzungen, unter welchen die Benachrichtigung des Konkursgerichts bei Überschuldung der Gesellschaft unterbleiben kann, werden neu klar definiert.
Kapitalband
Zur Flexibilisierung der Kapitalstruktur wurde mit der Aktienrevision das Kapitalband eingeführt. Das Kapitalband ersetzt das heutige genehmigte Kapital. Dabei ermächtigt die Generalversammlung den Verwaltungsrat, das Aktienkapital während längstens 5 Jahren um maximal 50% zu erhöhen oder herabzusetzen. Dabei muss eine Statutenänderung sowie eine öffentliche Beurkundung erfolgen.
Gewinnverwendung und Verlustrechnung
Gewinnverwendung und Verlustverrechnung Dividenden dürfen aus dem Bilanzgewinn und aus dafür gebildeten Reserven ausgerichtet werden. Eine Ausrichtung erfolgt nach der Zuweisung an die gesetzlichen Gewinnreserven (5 % des Jahresgewinns) und an allfällige freiwillige Gewinnreserven. Eine zweite Zuweisung (Superdividende) nach bisherigem Aktienrecht entfällt. Die gesetzliche Gewinnreserve ist zu äufnen, bis sie zusammen mit der gesetzlichen Kapitalreserve die Hälfte des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals erreicht.
Neu ist die Reihenfolge der Verlustverrechnung im Gesetz festgehalten. Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden:
1. Gewinnvortrag
2. freiwillige Gewinnreserven
3. gesetzliche Gewinnreserven
4. gesetzliche Kapitalreserven
Verluste dürfen anstelle der Verrechnung mit gesetzliche Gewinn- oder Kapitalreserve auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
Zwischendividende
Das revidierte Aktienrecht lässt neu Zwischendividenden (sog. Interimsdividenden) zu. Es können also Gewinne des laufenden Geschäftsjahres ausgeschüttet werden. Die Generalversammlung kann auf Basis eines Zwischenabschlusses eine solche Zwischendividende beschliessen. Der Zwischenabschluss ist von der Revisionsstelle zu prüfen, ausser sämtliche Aktionäre stimmen der Ausrichtung zu und die Forderungen der Gläubiger sind dadurch nicht gefährdet. Bei Gesellschaften ohne Revisionsstelle (Opting-Out) ist eine Prüfung ebenfalls nicht erforderlich.
Neben der Zwischendividende besteht nach wie vor die Möglichkeit einer Substanzdividende, also der Ausrichtung von ausserordentlichen Dividenden aus dem abgeschlossenen Geschäftsjahr. Diese muss von der Revisionsstelle geprüft werden. Die Praxis wird zeigen, ob die Anforderungen an die Ausrichtung einer Substanzdividende tatsächlich strenger sein sollen als bei der Ausrichtung einer Zwischendividende.
Finanzverantwortung
Neben den bisherigen Pflichten bei Kapitalverlust und Überschuldung gehören neu explizit auch Pflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur Finanzverantwortung des Verwaltungsrates. Neu ist auch, dass bei Gesellschaften, welche keine Revisionsstelle haben (Opting-out), bei einem Kapitalverlust die letzte Jahresrechnung eingeschränkt geprüft werden muss.
Bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung muss der Verwaltungsrat einen Zwischenabschluss zu Fortführungs- und / oder Veräusserungswerten erstellen und diesen prüfen lassen. Ist die Gesellschaft gemäss den beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, so muss der Verwaltungsrat den Richter benachrichtigen, ausser es liegen ausreichende Rangrücktritte vor oder es besteht begründete Aussicht, dass die Überschuldung innert 90 Tagen nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse behoben werden kann.
Die Rangrücktrittsvereinbarung muss neu neben dem geschuldeten Betrag auch allfällige Zinsforderungen enthalten. Falls die bisherige Rangrücktrittsvereinbarung die Zinsforderungen nicht einbezieht, muss eine neue Vereinbarung oder ein Nachtrag ausgestaltet werden.
Neben neuen Pflichten entsteht mit der Aktienrechtsrevision für die Gesellschaften mehr Flexibilität bei der Kapitalstruktur und es ergibt sich die Möglichkeit von Zwischendividenden. Nebst der Aktiengesellschaft sind auch weitere Gesellschaftsformen, wie die GmbH, Vereine, Stiftungen und Genossenschaften betroffen.
Viele der neuen Möglichkeiten können jedoch nur wahrgenommen werden, wenn die Statuten entsprechende Regelungen vorsehen. Man sollte die aktuellen Statuten überprüfen und die nötigen Anpassungen vornehmen.